In der Schweizer Garde war Frowin Bachmann 31 Jahre lang für die Sicherheit des Papstes mitverantwortlich. Er reiste mit ihm durch die Welt – und lebte direkt an seiner Seite.
Frowin Bachmann diente in der Schweizer Garde. Erst nach vielen Dienstjahren wurde er Bodyguard des Papstes © Osservatore Romano
In der Schweizer Garde war Frowin Bachmann 31 Jahre lang für die Sicherheit des Papstes mitverantwortlich. Er reiste mit ihm durch die Welt – und lebte direkt an seiner Seite.
Der Schweizer Frowin Bachmann hat flinke, wache Augen, seine Haare sind militärisch kurz geschnitten, der drahtige Körper immer in Bewegung. 31 Jahre lang diente der 59-Jährige im Vatikan, kaum ein Nicht-Priester hatte so viel Einblick in das Leben der Päpste wie er.
Dabei hatte er sich ganz am Anfang eigentlich nur für zwei Jahre verpflichten wollen.
"Ich wuchs in einer katholischen Familie im Dorf Freienbach im Kanton Schwyz auf, hatte eine Banklehre gemacht. Nun wollte ich die Welt sehen. Und Fremdsprachen lernen", erzählt Bachmann. In einer Zeitung entdeckte er den Artikel "Italienisch lernen im Dienst des Papstes" – und griff zu. Der damals 20-Jährige bewarb sich und bekam ein Jahr später den Ruf der Schweizer Garde nach Rom.
"In der Nacht vor der Abreise lag ich zuhause im Bett und hörte draußen die Kuhglocken auf der Weide bimmeln. Mein Herz war schwer." Damals wollte er nach der 24-monatigen Pflichtzeit in die Heimat zurück. "Doch als ich im Vatikan ankam, war ich sofort begeistert."
Frowin Bachmanns Mission: den Papst beschützen
Mitten im Zentrum der Weltkirche zu leben und für den Schutz des Papstes verantwortlich zu sein – das faszinierte den jungen Mann. Wie alle Gardisten trug er den schweren Helm mit rotem Federschmuck und die rot-gelb-blaue Uniform im Stil der Landsknecht-Tracht, die 1914 nach Renaissance-Vorbild eingeführt wurde. Ein wahres Schneiderkunstwerk, das aus 154 Einzelstücken besteht.
Nun hängt die Uniform bei ihm im Schrank. Bachmann hat sie als Gardist im Ruhestand mit nach Hause nehmen dürfen. Nur verkaufen darf er sie nicht, obwohl man immer wieder mal Angebote auf Ebay finden kann.
In voller Uniform werden die neuen Rekruten jedes Jahr am 6. Mai vereidigt. An diesem Tag im Jahr 1527 verteidigten viele Schweizer Gardisten in Rom Papst Clemens VII mit ihrem Leben gegen die Truppen des römisch-deutschen Kaisers Karl V.
Bis heute wird von den Rekruten genau dies erwartet: Tapferkeit und Loyalität.
Beim Aufnahmeritual mussten Bachmann und die anderen Rekruten – die Gardefahne in der linken Hand und drei Finger der rechten Hand zum Zeichen der heiligen Dreifaltigkeit gespreizt – den päpstlichen Eid ablegen und schwören, ihr Leben zu opfern, um den Papst zu beschützen.
Ist das nicht ein zu großes Versprechen für einen 20-Jährigen? "Nein, ich würde jeden Menschen, der in Not ist, auch unter Einsatz meines Lebens versuchen zu retten", sagt Bachmann. Viel schwieriger sei hingegen die Auseinandersetzung mit einigen Inhalten der katholischen Lehre gewesen – der Sexualmoral zum Beispiel. "Kann ich da auch hinter dem Papst stehen?", fragte er sich als Rekrut.
Seine Fragen: Braucht es den Papst?
Er stellte sich den Fragen: Was ist mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche? Braucht es überhaupt den Papst? Den Vatikan mit seiner Anfälligkeit für Skandale?
Bachmann hat für sich abgewogen: "Der Vatikan hat eine wichtige Funktion als zentrales Sprachrohr, um das Vermächtnis des Glaubens in die Welt zu tragen." Diese Macht zu verwalten sei nicht einfach. Es gebe auch durchaus schwarze Schafe. Aber: "Der Kirchenapparat kann weltweit so viel Gutes tun."
Auf seinen Papstreisen habe er oft miterlebt, wie die katholische Kirche überall auf der Welt Schulen und Krankenhäuser betreibt. "Der Vatikan ist ein großes internationales Netzwerk. Es geht um Nächstenliebe, nicht um Gewinnmaximierung. Dafür lohnte es, sich einzusetzen."
"Es dauert Jahre, bis man nah am Papst ist"
Seinen Dienst begann Bachmann mit Ehrenwachen während der Messen oder Audienzen an den Eingängen des Vatikans. Dort hat man ständig mit Besuchern zu tun: "Es dauert Jahre, bis man nah am Papst ist."
Und doch trifft Bachmann den Pontifex beinahe täglich im Vatikan – wie einen Nachbarn. "An einem Tag ist Wojtyla mir dreimal begegnet. Und jedes Mal hat er mich von neuem sehr zugewandt gegrüßt."
Treffen in den Vatikanischen Gärten: Frowin Bachmann mit dem emeritierten Papst Benedikt und dessen Sekretär Georg Gänswein. © Osservatore Romano
Die Gardisten sind bewaffnet mit der Hellebarde – eine Art Speer. Sie werden aber auch an modernen Waffen ausgebildet. Weil die Päpste heute viel mehr reisen als früher und mehr Audienzen geben, erhöhte Franziskus 2018 ihre Zahl von 110 auf 135 Soldaten. Der Papst traf diese Entscheidung auch im Hinblick auf das Heilige Jahr 2025 und die erwarteten 35 Millionen Besucher im Vatikan.
Die Rekruten müssen männlich, katholisch und Schweizer sein, zwischen 19 und 30 Jahre alt, mindestens 1,74 Meter groß, außerdem ledig und drei Leumundszeugnisse vorweisen. Sie arbeiten in Schichten von sechs, manchmal zwölf Stunden und verdienen – steuerfrei – 1300 Euro monatlich.
Familiengründung unter der Sankt-Peter-Kuppel
"Wegen des Solds verpflichtet sich niemand bei der Schweizer Garde. Das ist auch gut so", sagt Bachmann. Nach sieben Jahren wurde er 1993 zum Unteroffizier ernannt. Mit der Beförderung erlangte er das Recht zu heiraten.
Seine Frau Anna hatte er gleich zu Anfang in Rom kennengelernt. Der Vatikan wies ihm nun eine Wohnung im so genannten Schweizer Viertel zu, dem "quartiere svizzero" östlich der Eingangspforte Porta Sant´Anna. Hatte die Römerin Lust, in den Vatikan zu ziehen? "Aber ja, wir lebten mitten in Rom, waren sehr beschützt, hatten einen Parkplatz und konnten in die Vatikanischen Gärten gehen, wann wir wollten", sagt Bachmann. Die beiden haben zusammen drei Kinder.
Frowin Bachmann mit seiner Ehefrau Anna und ihren Kindern Marco, Giulia und Luca (von links) © Osservatore Romano
Wenige Jahre später erschütterte ein Doppel-Mord den Vatikan – direkt in Bachmanns Umfeld. Er war damals der Sekretär von Alois Estermann, der am 4. Mai 1998 zum Kommandanten der Schweizer Garde ernannt wurde. Am selben Abend klingelte der Gardist Cédric Tornay an der Wohnungstür von Estermann, erschoss ihn, dessen Frau und dann sich selbst.
Mord in der Schweizer Garde
"Ich war zuhause und traf Vorbereitungen für die Vereidigung der Rekruten am 6. Mai, als mich eine Nonne herbeirief. Ich ging in Estermanns Wohnung. Es war sofort klar, was passiert war", sagt Bachmann.
Tornay sei mit dem Chef der Garde immer wieder aneinandergeraten, weil er sich nicht an die Regeln hielt, abends zu spät zurückkehrte. Der Konflikt eskalierte, als Estermann ihm die Verdienstmedaille "benemerenti" verweigerte, die unter seinem Vorgänger automatisch an alle Rekruten verliehen wurde. "Tornay war labil. Er fühlte sich gedemütigt und verlor die Kontrolle über sich", sagt Bachmann.
Spekulationen über homosexuelle Beziehung
Das war auch die offizielle Erklärung des damaligen Vatikansprechers. Doch in den italienischen Medien trieben die Spekulationen wilde Blüten. Tornay habe eine homosexuelle Beziehung mit Estermann gehabt und aus Eifersucht gehandelt. Die katholische Organisation Opus Dei habe ihre Finger im Spiel gehabt. "Journalisten und TV-Teams belagerten tagelang den Eingang Porta Sant´Anna. Ich konnte sie von unserer Wohnung aus sehen. Ich war von alledem überwältigt", sagt Bachmann.
Weil der Fall aus der Innenperspektive so klar war, habe der Vatikan auf die Spekulationen der Medien nicht reagiert, analysiert Bachmann. Das sei ein Fehler in der Kommunikation des Vatikans gewesen, weil das Schweigen des Papstsprechers die Gerüchte immer weiter angeheizt habe.
Als Papst-Bodyguard auf Reisen
Als Bachmann zum Hauptmann ernannt wurde, fuhr er als Bodyguard des Papstes mit auf Auslandsreisen. Zu seinen Highlights gehört die Pilgerreise von Johannes Paul II im Jahr 2000 ins Heilige Land. "Ich kam dem Papst dort sehr nahe. Wir aßen oft am selben Tisch, ich hörte die Gespräche über mögliche Lösungen für den Konflikt zwischen Israel und Palästinensern und über den Schutz der Katholiken im Land", erzählt Bachmann.
Die Papstreisen seien immer eine Mischung aus Staatsbesuch und pastoraler Reise. "Wir waren in Jerusalem. Nach der Messe in der Grabeskirche gingen wir zum Mittagessen. Danach äußerte Wojtyla den Wunsch, nochmal zurückzukehren, um an der Kreuzigungsstätte Golgatha zu beten", erzählt Bachmann. "Die israelischen Sicherheitskräfte hatten aber die Straßensperre wieder aufgehoben und wollten kein Risiko eingehen. Doch der Papst blieb stur im Auto sitzen, bis die Israelis schließlich nachgaben und Wojtyla zu seinem Gebet kam."
Ein neues Leben als Schuhverkäufer
Die meisten Schweizer Gardisten erfüllen die Pflichtzeit und hängen ein Jahr dran. Nach drei Jahren scheiden sie aus. Einige werden Priester. Andere entscheiden sich für eine Karriere im Militär oder bei der Polizei. Bei Bachmann war es anders: Nach 31 Dienstjahren begann er nun ein neues Leben.
Der Ex-Bodygard des Papstes arbeitet heute als Schuhverkäufer. © Luisa Brandl
Als Schweizer Gardist musste Bachmann viele Stunden stehen. Er hatte einen Luftkissenschuh der Schweizer Marke Kybun entdeckt und nach und nach auch seine Kameraden mit den Gesundheitstretern versorgt. So kam er in Kontakt mit der Firma und erhielt das Angebot, eine Filiale in Rom zu eröffnen.
Heute leitet Bachmann ein kleines Schuhgeschäft mitten im Zentrum an einer Ecke zwischen den Luxusgeschäften von Fendi und Ferrari. Er führt den Laden mit der gleichen Hingabe, mit der er einst der Garde gediente hatte.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen