Zur traditionellen Bewaffnung der päpstlichen Leib- und Palastwache zählen Helle- barde, Partisane, Runka, Zweihänder, Degen und Kurzschwert. Weniger bekannt ist, dass die Schweizergarde auch über Schusswaffen verfügt. Durch Faustfeuerwaffen ergänzt, handelt es sich aktuell um das Schweizer Sturmgewehr 90. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts war es das Remington-Gewehr Mod. 1868 gewesen – ein aus der Armee des Alten Kirchenstaates stammendes Relikt, das längst Rost angesetzt hatte. Neuerungen aller Art brachte dann der Kommandowechsel von 1910.












Oberst der Schweizer Armee und Gardeoberst
Jules Maxime Repond (1853–1933, Kdt 1910–1921), der die Päpstliche Schweizergarde grundlegend reformierte. Aufnahme aus: Paul M. Krieg:
Die Schweizergarde in Rom.
«... mit eiserner Konsequenz»
Der am 11. Juni 1853 geborene Jules Maxime Repond war Advokat, Professor an der Rechtsschule Fribourg, Grossrat, Journalist und das Etat der Offiziere des Schweizerischen Bundesheeres wies ihn am 1. April 1902 als Kom- mandanten der Infanterie-Brigade III aus. Als Oberst Repond 1910 an die Spitze der Päpst- lichen Schweizergarde berufen wurde, stand er als Stabsoffizier zur Verfügung des Bundes- rates. Repond hatte den Dienst im Vatikan zur richtigen Zeit angetreten.
Mit dem Korps stand es nicht zum Besten. Dazu vermerkte Gardekaplan Paul Krieg in seinem Werk Die Schweizergarde in Rom (S. 404): «Am Abend des 13. Dezember 1910 traf Repond in Rom ein. Er stellte sich am folgenden Tage seinen Vorgesetzten im Vatikan vor und übernahm das Kommando. Der erste Eindruck, den die Garde auf ihn machte, war nicht gut; Repond sah das veraltete Remington-Gewehr, die merkwürdige und vor allem zum Exerzie- ren ungeeignete Uniform, die sonderbare Tages- und Dienstordnung, die Mannschaft, die in Zivilkleidern exerzierte und anderes mehr.
Sogleich setzte er sich das Ziel, aus der Garde eine mustergültige Truppe zu machen, und er tat es mit eiserner Konsequenz, ja gelegentlich mit Härte.» Also war der schwungvolle Militär nicht mehr zu bremsen gewesen. Es dauerte kein Jahr und die Hellebardiere verfügten über die damals modernste Infanteriewaffe: das deutsche Mauser-Gewehr Mod. 1898. Am 19. März 1914 approbierte Staatssekretär Kardinal Raffaele Merry del Val (1865–1930) Reponds neues Gardereglement. Um die Jahreswen- de 1914/1915 entledigten sich die Gardisten ihrer skurrilen Monturen, an deren Stelle die formvollendeten und bis heute bewunderten Uniformen im Stil der Söldnertrachten des 16. Jahrhunderts traten. Und 1916 folgte schliess- lich noch das praktische blaue Exerziertenue.
Um 1900: Gardist mit der traditionellen Bewaff- nung – Hellebarde, Partisane, Zweihänder und Kurzschwert. Ansichtskarte: Archiv Autor.
Paul Mauser
Zur dringendst erforderlichen Neubewaffnung hatte Oberst Repond im Frühjahr 1911 auch Experten konsultiert und Offerten eingeholt. Er stand mit der Fabrique Nationale d’Armes de Guerre im belgischen Herstal-Liège ebenso in Kontakt wie mit dem bekannten deutschen Waffenkonstrukteur Paul Mauser (1838–1914) aus Oberndorf am Neckar. Letzterer war es denn auch, der dem Gardekommandanten zwei ihm geeignet erscheinende Infanteriewaffen zur Prüfung hatte zukommen lassen: ein «Mauser-Infanteriegewehr Kal. 7 mm für Ogival-Munition» sowie ein «Mauser-Infante- riegewehr Kal. 7,65 mm peruanisches Modell für S-Munition», d.h. für Spitzgeschosse. Wie einem Schreiben vom 14. April 1911 an Paul Mauser zu entnehmen ist, sagte Repond be- sonders das peruanische Modell zu. «Wegen dem leichten Munitionsersatz» wählte er dann aber das «Kaliber der deutschen Armee», also 7,9 mm. Womit die Schweizergarde in den Besitz der international vortrefflichsten Waffe kam: des 1898er Mauser-Gewehrs. Der Stück- preis betrug 85 Reichsmark. Auf der Strecke geblieben war auch das belgische Mauser-Gewehr Mod. 1889 mit Kaliber 7,65 mm.
Um 1900: Hellebardier am Posten «Zecca» mit dem 1911 abgelösten Remington-Gewehr Mod. 1868 samt Jatagan-Bajonett. Ansichtskarte: Archiv Autor.
Ladenhüter
Es scheint, dass man dem Schweizer Gardeobersten im fernen Rom, dessen Hellebardiere, wie anzunehmen war, kaum je zum Schuss kommen würden, allzu gerne einen Ladenhüter angedreht hätte. Dies vermuten lässt ein Schreiben der Rheinischen Metallwaren- und Maschinenfabrik (RMF) in Düsseldorf- Derendorf vom 13. April 1911: «Wir glauben aber, dass auch mit einem etwas älteren Mo- dell Ihren Zwecken Genüge geleistet würde, da ja wohl in erster Linie genaue Treffsicherheit und Wirkung bis auf 500 m genügen würde. So sind wir in der Lage, Ihnen das spanische Gewehr M/93, Kaliber 7 mm, in tadellosem Zustande zu M[ark] 60.– offerieren zu können, ferner das Mauser-Gewehr M/1904 mit Dolchbajonett zu M[ark] 65.–, und das Mau- ser-Gewehr M/Haenel 07/09, Kaliber 7,9 mm, mit Spitzgeschoss zum Preise von M[ark] 66.– franko Hamburg.» Das ausgemusterte Mauser M/88 wäre sogar zum Schleuderpreis von 25 Reichsmark zu haben gewesen.
Der erfahrene Troupier liess sich jedoch nicht beirren. Repond wollte die aktuellste Waffe. Und so liess er am 15. April 1911 Kardinal Merry del Val wissen, er habe sich entschlossen, «200 fusils Mauser Modèle 98, calibre 7,9 mm, tirant la munition S» zu beschaffen, samt tausend Schuss pro Gewehr. Zudem Bajonette, Platz- und Exerzierpatronen sowie allerlei Zubehör.
Und weiter hiess es im Schreiben an den zweiten Mann im Vatikan: «La Garde Suisse n’ayant besoin pour son propre réarmement que de 120 fusils, les 80 restants pourront être cédés à la Gendarmerie Pontificale, dont l’arme doit être identique à celle de la Garde Suisse. Le fusil proposé est celui actuellement en usage dans l’armée allemande. C’est le meilleur fusil de guerre existent.» Die Angleichung der Be- waffnung von Schweizergarde und Gendar- merie erfuhr im Kriegsjahr 1944 mit der Zu- teilung von Maschinenkarabinern MKPS 9 mm der SIG Neuhausen an beide Korps noch eine Wiederholung.
Präsent des Deutschen Kaisers?
Am 9. Mai 1911 ging der Auftrag an die RMF, deren Rechnung am 25. August mit 43’002 Reichsmark abschloss. Damit ist auch die oft repetierte Aussage, die Mauser-Gewehre seien ein Präsent des Deutschen Kaisers und Königs von Preussen Wilhelm II. (1859–1941) gewesen, wohl widerlegt. Im Tagesbefehl vom 20. Sep- tember 1911 gab Oberst Repond schliesslich voller Stolz bekannt: «Die Päpstliche Schwei- zergarde erhält heute eine neue, vorzügliche Waffe, nämlich das deutsche Mauser Gewehr 98 mit S-Munition. Dieses Repetiergewehr mit Kaliber 7,9 darf als das beste der Gegenwart betrachtet werden, und die Schweizergarde ist dem Heiligen Vater [Pius X., Pontifikat 1903– 1914] für ein so wertvolles Geschenk zu vollem
Kriegsjahr 1943: Hellebardier am Posten «Arco delle Campane» mit dem Mauser-Gewehr Mod. 1898. Aufnahme: Archiv GSP.
Dank verpflichtet. Mit diesem Gewehr dürfen wir mutig der Gefahr entgegensehen, sofern wir es kennenlernen, pflegen und als unseren besten Freund hegen.» Reponds «Rüstungs- programm» lief aber noch weiter. Als nächs- te Acquisition wurden lederne Patronenta- schen «nach der Art der Buren-Bandoliere» beschafft und sogar Handgranaten ins Auge gefasst. Ablösung fand das schliesslich in die Jahre gekommene Mauser-Gewehr erst 1957 durch den bewährten Schweizer Karabiner 31. Als Geschenk der Landesregierung anlässlich des 700-Jahre-Jubiläums der Gründung der Eidgenossenschaft folgte diesem 1991 dann das bis heute als Mannschaftswaffe geführte Sturmgewehr 90.
Literatur:
Oertle Vincenz: Vom «Remington» zum
Sturmgewehr 90 –
Die Schusswaffen der Päpstlichen Schweizergarde.
228 Seiten, Abbildungen, Dokumente und Reglemente
ISBN 3-908544-44-0 Thesis Verlag, 8847 Egg SZ
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