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Gianni Crea wacht im Vatikan über 2979 Schlüssel. Sie führen zu uralter Kunst und in die menschenleere Sixtinische Kapelle

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Eine Handvoll Besucher darf den Schlüsselhüter manchmal bei seiner frühmorgendlichen Aufsperrrunde durch die prunkvollen Gemächer und Säle der Vatikanischen Museen begleiten.

Bald werden sie hier vor dem eisernen Portal mit den massiven Knöpfen wieder Schlange stehen. Hier und weiter unten auf dem dreispurigen Viale Vaticano, die Via Leone IV hinunter an der Gelateria mit ihrer cremigen Stracciatella vorbei bis zur Piazza Risorgimento und zu ihren auffällig hohen Palmen. 770 Meter lang wird die Schlange an einem gewöhnlichen Tag sein; 28 000 Menschen werden Einlass durch diese Türe wünschen. Das Knattern der Vespas und das Hupen der Autos wird die Luft erfüllen, wenn das Tor um 8 Uhr 30 geöffnet wird, und alle feinen Geräusche schlucken.

Ein so feiner Laut wie das Entriegeln eines Schlosses wird dann nicht mehr gehört werden, untergehen im Alltagsgetöse Roms. Doch jetzt, um 5 Uhr in der Früh, kurz vor dem ersten Licht des Tages, ist es hier stiller als in einem Bergwald. Und dann ist es zu hören. Klack. Und nach einer Pause nochmals: klack. Im Schloss der Eisentüre wird ein Schlüssel gedreht, das eiserne Portal unter der Beschriftung «Musei Vaticani» entriegelt. Es ist der erste Moment von vielen aussergewöhnlichen Augenblicken, die an diesem Morgen folgen werden.

Die übergrosse Türe geht auf, und ein Mann in dunkelblauem Anzug und Krawatte steht da und verzieht seinen Mund zu einem breiten Begrüssungslächeln. Es ist Gianni Crea, 51-jährig, der «clavigero» der Vatikanischen Museen.


Jeden Morgen sperrt Gianni Crea die Türen auf zu einigen der grossartigsten Kunstwerke der Menschheit.


Frühaufsteher erlangen auf dem Rundgang mit dem Schlüsselwächter eine aussergewöhnliche Perspektive auf den Petersdom.

Das Wort «clavigero» ist von «claviger», Schlüsselträger abgeleitet – Gianni Crea ist also der «Herr der Schlüssel», der Schlüsselhüter der Vatikanischen Museen. Als solcher ist er verantwortlich für das Öffnen und Schliessen einer der grössten und wichtigsten Sammlungen des Abendlandes, die etruskische Altertümer birgt, griechisches und römisches Kunsthandwerk, goldgerahmte Gemälde aus der Renaissance und zeitgenössische Bilder. Täglich schliesst Gianni Crea die Zugänge zu schier unendlich lang erscheinenden Gängen auf, die Portale zu prächtigen Innenhöfen, die Türen zu marmornen Treppenhäusern, zu Terrassen, zu Büros, zu Werkstätten und zum Eingang in die Herrlichkeit der Sixtinischen Kapelle.

Das Amt des Schlüsselhüters gibt es seit 1506. Damals hatte der kunstbegeisterte Papst Julius II. begonnen, die Schätze der Kirche auszustellen. Dass es bis heute einen «clavigero» gibt, liegt wohl am geschärften Sinn für Traditionen im Vatikan. Die Funktion ist eine Reminiszenz, wie die blau-rot-gelb gehaltene Galauniform der Schweizer Gardisten oder deren weisse Handschuhe. In den meisten Museen Roms jedenfalls haben moderne Schliesstechniken die Arbeit des Schlüsselhüters übernommen.

Hirte über 2797 Schlüssel

Schlüssel sind in der katholischen Kirche und in den Vatikanischen Museen erheblich symbolisch aufgeladen: einmal wegen Petrus, der von Jesus die Schlüssel des Himmelreichs erhielt. Und wegen der Sixtinischen Kapelle, in der die Kardinäle jeweils «hinter verschlossenen Türen» den Stellvertreter Christi wählen. Im Konklave – das sich vom lateinischen «cum clave» ableitet und ein verschliessbares Gemach bezeichnet.

Schönheit, so könnte man denken, will unberührt bleiben, dann gibt sie sich dem Betrachtenden hin.

Gianni Crea ist der Hüter, der Wächter, ja sozusagen der Hirte über 2797 Schlüssel. Genaugenommen sind es sogar mehr; über 10 000, weil von jedem Schlüssel zwei bis fünf Kopien existieren. Gianni Crea, Bügelfalten in den Baumwollhosen, glänzend schwarze Lederschuhe, ist ein Perfektionist: Einen unvorhergesehenen, plötzlich auftretenden Schaden bei einer Türe gilt es unter allen Umständen zu vermeiden. Alle Schlüssel werden deshalb von ihm und seinen neun ihm unterstellten Schlüsselwächtern einmal pro Woche einem Test unterzogen.


Der oberste «clavigero» holt im Wärterhäuschen die Schlüssel für seinen bis zu 7,5 Kilometer langen Rundgang.


Auf der Early-Morning-Tour versperrt einem niemand die Sicht auf die Mosaike aus der römischen Kaiserzeit.

Aufbewahrt werden die Schlüssel im sogenannten Bunker. Zu ihm gelangt man über die Terrasse der Pinakothek, die in 16 Sälen mit Wand- und Deckenmalereien einen Überblick über die abendländische Malerei gibt. Die Besucherinnen und Besucher legen normalerweise hier den ersten Fotohalt ein: Nach dem Schlangestehen und dem Gedränge vor der Kasse stehen sie plötzlich vor dieser Terrasse, treten hinaus ins Freie, der Blick weitet sich, und verblüffend nah ist die Kuppel des Petersdoms unter dem Himmelszelt.

Der älteste aktive Schlüssel hat die Nummer 401. Er wiegt rund ein halbes Kilo und stammt aus dem Jahre 1770.

Kurz nach 5 Uhr in der Früh leuchtet die grellweisse Kuppel im Nachthimmel, berührt von den ersten Sonnenstrahlen. Man kann von den Glaubensinhalten der katholischen Kirche halten, was man will. Aber ihre architektonischen Erscheinungsformen sind zweifellos gelungen. Schönheit, so könnte man denken, will unberührt bleiben, dann gibt sie sich dem Betrachtenden hin.

Bombensicher aufbewahrt

Der «Bunker» befindet sich am Rande der Terrasse und besteht aus einem bombensicheren Zimmer mit Klimaanlage. Sie verhindert, dass die Schlüssel rosten. Die meisten bestehen aus Eisen, haben grosse oder kleine Bärte wie zu Urgrossmutters Zeiten. Und alle tragen sie eine Nummer. Der älteste aktive Schlüssel ist die 401. Er wiegt rund ein halbes Kilo und stammt aus dem Jahre 1770. Er führt ins Pio-Clementino-Museum, die erste Keimzelle der Vatikanischen Museen. Der Schlüssel der Sixtinischen Kapelle wirkt gemäss den Beschreibungen von Gianni Crea unscheinbar.


Der älteste aktive Schlüssel stammt aus dem Jahre 1770 und führt in den Kern der päpstlichen Sammlung antiker Skulpturen.


Gianni Crea öffnet den Safe, in dem über Nacht der Schlüssel zur Sixtinischen Kapelle aufbewahrt wurde.

Dafür trumpft er mit einer Sonderbehandlung auf: Abend für Abend wird er in einen Briefumschlag gesteckt. Dieser wird mit einem Siegel verschlossen und über Nacht in einem gesonderten Schliessfach aufbewahrt. «Der Schlüssel zur Sixtinischen Kapelle ist der einzige, der nicht mit einer Nummer versehen ist», sagt Gianni Crea.

Wer einen frühmorgendlichen exklusiven Rundgang mit dem «clavigero» bucht, darf am Ende der knapp zwei Stunden dauernden Tour die Holztüre zur Sixtinischen Kapelle aufschliessen. An diesem Morgen hat eine Gruppe aus Russland das Privileg. Gegen 6 Uhr trifft sie ein.

Doch zunächst führt der «clavigero» ins Atrio dei Quattro Cancelli. In der kleinen Halle befindet sich das Wärterhäuschen, wo Berge von Schlüsselbunden bereitliegen, die an diesem Morgen benötigt werden. Von den 2797 Schlüsseln kommen etwa 500 zum Einsatz.

Kurz nach 6 Uhr holt Gianni Crea die Spezialgruppe bei der eisernen Türe mit den markanten Nägeln ab. 25 Personen, mehr als die Hälfte von ihnen Kinder. 5000 Euro hat das Trüppchen springen lassen, um vor den anderen Besucherinnen und Besuchern durch die vielverschnörkelten Hallen des Vatikanischen Museums wandeln zu dürfen. Die Erwachsenen hatten sich in der Schule ihrer Kinder kennengelernt. Nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine verliess eine Familie um die andere Russland. Heute leben sie in alle Windrichtungen verstreut, etwa in Deutschland oder in Dubai. Für Bildungsreisen kommen sie zusammen.


Die Kunstpilgerer halten ihren frühmorgendlichen Gang zur Sixtinischen Kapelle mit einem Gruppenfoto fest und lassen die Schlüsselbunde klimpern.


Tür für Tür erschliessen sich die Teilnehmer der exklusiven Tour die Gemächer des Vatikans.

7,5 Kilometer lange Museumstour

Gianni Crea bückt sich und drückt jedem Kind einen Schlüsselbund in die Hand. Die Schlüssel sind an einem grossen Ring angebracht. Die Kinder hängen ihn an den Unterarm und lassen die Schlüssel klimpern.

Die normale Route durchs Museum ist 7,5 Kilometer lang und führt an rund 20 000 Exponaten vorbei. Das sind zu viele, um gebührlich bewundert zu werden. Die für heute gewählte Route ist 3 Kilometer lang. Gianni Crea sagt: «Alle Wege führen in die Sixtinische Kapelle.» Und los geht’s.

Der Schlüsselhüter Gianni Crea sagt: «Jeder Schlüssel offenbart ein Geheimnis.»

An jeder Türe ist eine Nummer angebracht, zu der ein Schlüssel mit derselben Nummer passt. Manchmal braucht es die Hilfe eines Erwachsenen oder die von Gianni Crea, um den Schlüssel im Schloss zu drehen. Klack. Der Schlüssel ist gedreht, eine Türe aufgestossen in eine Welt, die bis vor Sekunden im Halbdunkeln verborgen lag. Luce sia! Gianni Crea kippt den Lichtschalter. Eine Galerie aus kostbarsten Wandteppichen wird sichtbar. Klack. Eine Galerie mit Landkarten. Klack. Laokoon, umschlungen von Schlangen, sein Todeskampf in Marmor verewigt. Klack. Raffaels «Schule von Athen», monumental, ein Hauptwerk der Hochrenaissance.

Jedes Mal, wenn eine Türe aufgestossen wird und sich dahinter eine neue Schatzkammer auftut, rufen alle im Chor «Ohhh». Gianni Crea sagt: «Jeder Schlüssel offenbart ein Geheimnis.»


Begleitet von leisem Schlüsselklimbim, wandeln die Besucher vorbei an Wandteppichen, die nach Zeichnungen von Raphael-Gelehrten geknüpft wurden.


Der Todesschrei des von Schlangen erwürgten Laokoons bleibt in der morgendlichen Stille des Museums ungehört.

Der «clavigero» beobachtet das Geschehen aufmerksam. Er ist verantwortlich dafür, dass den unbezahlbaren Kunstwerken nichts geschieht. Doch etwas anderes scheint ihn nicht minder zu interessieren: die Gesichter der Leute, in den Momenten der «Ohhhs» und «Ahhhs». Er kann sein Entzücken schlecht verbergen. Gut möglich, dass er die Tour am meisten geniesst – obwohl er täglich seit über 25 Jahren diese Räume durchmisst. Anfänglich als Student der Jurisprudenz, als der er hier als Hilfswärter begann, um sich etwas Taschengeld zu verdienen. Als dann die Stelle eines Schlüsselhüters frei wurde, brach Crea das Studium ab. Eine feste Stelle an einem Ort wie diesem wiegt in Italien mehr als jeder Schatz.

Fehlt ein Schlüssel, braucht Gianni Crea nicht einmal hinzusehen, um es zu merken. Er spürt das Fehlen am zu leichten Gewicht des Bundes.

Für Gianni Crea muss das Glück noch grösser gewesen sein. Er liebte seine Arbeit so sehr, dass er ihr viel opferte. Er ist Junggeselle geblieben, verbringt fast Tag und Nacht im Museum. Sein privater Schlüsselbund, erzählt er, habe fünf Schlüssel und trotzdem verwechsle er sie manchmal. Beim Museum sind es zwanzig, dreissig an einem Bund und mehr. Fehlt ein Schlüssel, braucht der Gianni Crea nicht einmal hinzusehen, um es zu merken. Er spürt das Fehlen am zu leichten Gewicht des Bundes.

Ein Buntbartschlüssel entriegelt die Türe zur Sixtinischen Kapelle

Dann, endlich: Die Gruppe steht vor der verschlossenen Türe zur Sixtinischen Kapelle. Unscheinbar ist sie, aus dunkel gebeiztem Holz. Unbedeutend wirkt sie, sie könnte auch zu einem Estrich führen. Crea langt mit der rechten Hand auf die Herzseite seines nachtblauen Jacketts und zieht daraus einen Umschlag hervor. Dabei berührt er das Papier so sorgfältig mit den Fingerkuppen, als ob es sich bei diesem bereits um ein Heiligtum handeln würde. Crea bricht das Siegel auf, zieht den Metallschlüssel hervor und übergibt ihn einer jungen Frau.


Nach unzähligen Pforten und Toren öffnet Gianni Crea eine zierliche Holztüre, die auch zu einem Wandschrank gehören könnte. Die Sixtinische Kapelle ist nun ganz nah.


Die kleine Besucherschar bewundert und bestaunt den Reichtum der Sixtinischen Kapelle.


Wer morgens mit dem Schlüsselhüter unterwegs ist, hat die Sixtinische Kapelle fast für sich allein.

Später, wieder zu Hause, wird sie ihren Nachbarn und Freundinnen erzählen können, dass sie mit einem einfachen Buntbartschlüssel aus Metall, der aussieht, als gehöre er zu einem Einbauschrank einer Altbauwohnung, die Türe entriegelt hat, hinter der Päpste gewählt werden. Klack. – Klack. Klack. Sie öffnet die Türe. Und dann nochmals und nochmals, weil alle in der Gruppe diesen einzigartigen Moment fotografieren oder filmen wollen.

Ecco, die Sixtinische Kapelle – ohne Besucherscharen. Hier könnte man

Tage verbringen. Michelangelos Fresken bedecken mehr als 1000 Quadratmeter. Sie zeigen Szenen aus der Genesis, das Jüngste Gericht, über 300 figürliche Darstellungen, die eine jede die Feinheiten des menschlichen Körpers offenbart.

Vor fünf Jahren war ich schon einmal hier. Mit meiner Tante aus den USA, die mich in Rom besuchte. Am Tag ihrer Abreise blieb uns wenig Zeit, doch sie wollte unbedingt die Sixtinische Kapelle sehen. Interessiert war sie vor allem am zentralen Fresko. Jenem in der Mitte der gewölbten Decke, in dem Michelangelo Buonarroti an Adam die Erschaffung des Menschen zeigt: Gott streckt seinem Ebenbild den Zeigefinger entgegen. Genaugenommen ist es nicht die Schöpfung, die Michelangelo vor etwas mehr als einem halben Jahrtausend dargestellt hat, sondern der Moment kurz davor: Die beiden Zeigefinger berühren sich noch nicht. Gott hat den Lebenshauch noch nicht übertragen.

Die Kapelle war über und über gefüllt mit Touristen. Aber meine Tante und ich hatten Glück: Auf der Bank entlang einer der beiden Längsmauern der Kapelle waren noch exakt zwei Plätze frei. Von dort schauten wir schweigend hoch. Nie erlebte ich meine Tante glücklicher.

Grosse Fragen in der Stille

Jetzt sitze ich in der menschenleeren Kapelle an derselben Stelle. Die beiden Zeigefinger über mir berühren sich noch immer nicht. Doch sonst ist alles anders. Das liegt vor allem an der Stille. Sie ist nicht allein die Absenz von Lärm. Was ich nun empfinde, ist eine geradezu magnetische Stille, die den Denkprozess an sich bindet, zum Verschwinden bringt und damit auch alles Gefühl für Zeit. Wie ich so dasitze und staune, bin ich überzeugt davon, dass diese Stille schon vor fünf Jahren anwesend gewesen sein muss. Als direkter Draht zur Ewigkeit? Zum zeitlosen Dasein? Die leere Halle vor mir öffnet grosse Fragen. Was ich mit Sicherheit sagen kann: Im Trubel von damals fand ich den Schlüssel zu den Antworten nicht.

Und noch etwas stelle ich jetzt fest, während die Russinnen und Russen Michelangelos Fresko mit ihren Handys filmen: dass ich den Fussboden sehen kann. Vor fünf Jahren drängten sich hier 700 Menschen dicht an dicht. Die eigenen Füsse schienen damals weiter weg zu sein als der Zeigefinger Gottes. Nun aber sind die farbenprächtigen Mosaike mit unterschiedlichen geometrischen Mustern mit dem Gesamtbild verbunden. Vielleicht, denke ich, ist es gerade eine Banalität wie dieser Fussboden, die den Besuch des Museums in den ersten Morgenstunden so spektakulär macht. Der befreite Blick adelt das Normale, das Alltägliche.

Die Schlüsselrolle spielt Gianni Crea selbst: Sein Konterfei wird bei der Bewerbung der Vatikanischen Museen eingesetzt. Längst ist er zum heimlichen Star des Museums aufgestiegen.


Michelangelos «Jüngstes Gericht» in der Sixtinischen Kapelle überwältigt mit seiner Flut an Farben, Formen und Figuren.

Antonio Masiello for NZZ

Gianni Crea muss ein Glückspilz sein, dass er täglich vor Anbruch des Tages hier sein kann. Irgendwann, erzählt er, sei in ihm der Wunsch erwacht, seine «grosse Liebe mit anderen Menschen teilen zu können», wie er sagt. Daraufhin sprach er mit dem damaligen Museumsdirektor, und seit fünf Jahren führt er frühmorgens die speziellen Rundgänge durch. Es sei die mit Abstand beliebteste Tour, sagt Gianni Crea stolz.

Die Schlüsselrolle spielt Gianni Crea selbst: Sein Konterfei wird bei der Bewerbung der Vatikanischen Museen eingesetzt. Längst ist er zum heimlichen Star des Museums aufgestiegen, ohne dass ihm das zu Kopf gestiegen wäre. «Warum auch?», fragt er. «Ich habe den Ruhm nicht gesucht!» Er sei weiterhin nur ein einfacher Wärter. «Aber das Schöne daran ist, dass ich buchstäblich die Schlüssel zur Geschichte in der Hand habe – sowohl zur christlichen Geschichte als auch zur Geschichte der Kunst.»

Das sind gut klingende Worte, von denen der «clavigero» während des Rundgangs etliche einstreute. In der Sixtinischen Kapelle aber bleibt er still und vergewissert sich, dass sich alle respektvoll verhalten. Als sich die russischen Gäste zu einem Gruppenbild aufstellen und sich einige Kinder dazu auf dem Boden in Pose legen wollen, schreitet er ein.


Rund 28 000 Besucherinnen und Besucher stehen an einem gewöhnlichen Tag Schlange für einen Besuch der Vatikanischen Museen.


Täglich sieht der Schlüsselhüter Gianni Crea in aller Herrgottsfrühe die Erschaffung Adams durch Gottes Zeigefinger von Michelangelo – und etwas später den Himmel über Rom, der ihn nicht minder überwältigt.

Unerwartetes Missgeschick

Am Ende der Tour gibt es eine letzte Türe zu öffnen: den Ausgang der Sixtinischen Kapelle. Das übernimmt Creas Assistent, der den Capo an diesem Morgen begleitet hat. Doch als er den Schlüssel umdrehen will, geschieht es: Der Bart des Schlüssels bricht ab und bleibt im Schloss stecken.

Gianni Crea will’s zunächst nicht fassen. Ein unerwarteter Schaden! Er nimmt den Schlüsselstumpf selber in die Hand und versucht die Blockade zu lösen. Vergeblich. Also heisst er seinen Assistenten, die Haustechnik anzurufen – dringend. Es ist kurz vor 8 Uhr 30. Ein weiterer Tag in der Schöpfung des Museums beginnt, und die Warteschlange reicht schon bis zur Gelateria.


Was kaum je ein Tourist innerhalb der regulären Öffnungszeiten des Museums zu sehen bekommt, sind all die Arbeiten, die es benötigt, um die Sixtinische Kapelle glänzen zu lassen.

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