Mit 20 Jahren ist Jonas Koch der Jüngste in der päpstlichen Schweizergarde. Im Interview erzählt er, was ihn zum Eintritt motiviert hat, wie sein erster Tag im Vatikan war und wie der Papst tickt.
Herr Koch, mit 19 Jahren sind Sie in die Schweizergarde eingetreten, die Leibgarde des Papstes, die älteste aktive militärische Formation der Welt. Haben Sie schon den Papst kennengelernt?
Ja, ich durfte ihn schon bei einer Privataudienz treffen während der Vereidigung zum Gardisten. Er ist sehr zugänglich und bescheiden. Das merkt man an seinem Charakter, er ist sehr großväterlich und sehr menschlich. Wir haben viel mit ihm zu tun. Erst vor Kurzem habe ich wieder seine Hand geschüttelt. Beeindruckend!
Schweizergardist, das ist nicht der klassische Berufswunsch eines Neunzehnjährigen. Warum haben Sie sich beworben?
Das ist nicht einfach zu erklären. Ich fühle mich dazu berufen. Es vereint meine Interessen: den Glauben und das Militär. Es liegt zum einen an dem kirchlichen Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin. Meine Mutter ist Religionslehrerin. Der Glaube war mir schon immer wichtig. Mit 14 Jahren bin ich das erste Mal auf die Garde gestoßen in einer Zeitungsanzeige. Dann hatte ich das immer im Hinterkopf. Mit 16 habe ich gesehen, dass die Garde Schnupperreisen anbietet. Also habe ich mal reingeschaut. Ich hatte schon zweimal Rom gesehen, die Stadt hat mich direkt fasziniert. Außerdem hatte ich großes Interesse am Militär, habe viele Bücher darüber gelesen, auch zur Geschichte. Dann habe ich noch das schulische Abschlussprojekt über die Schweizergarde gemacht, für das ich ehemalige und aktive Gardisten interviewt habe. Das war wirklich sehr interessant. Die Schweizergarde ist also so ein bisschen der „sweet spot“ all dieser Interessen und Faszinationen.
Wie war Ihr erster Tag im Vatikan?
Das war am 1. Januar. Da haben wir uns am Bahnhof Mailand getroffen mit dem Rekrutierungsbeauftragten. Das war dann schon speziell. Man fühlt sich irgendwie verbunden, weil man weiß: Das werden meine Kameraden sein. Aber da kennt man sich ja noch nicht. Die Gesichter sind also vertraut und fremd zugleich. Von Mailand sind wir dann zusammen nach Rom gefahren. Dort kamen wir nachmittags an. Gleich am Bahnhof wurden wir von einem großen Auto mit vatikanischem Kennzeichen abgeholt. Da wurde mir klar: Es geht los. Rom wird deine Heimat sein für die nächsten zwei Jahre. Im Auto wuchsen die Anspannung und Vorfreude immer mehr.
Wie ist die Ausbildung zum Gardisten?
Vor dem Dienst, der zwei Jahre dauert, hat jeder Gardist eine zweimonatige Grundausbildung, unterteilt in zwei Phasen, die jeweils vier Wochen dauern. In der ersten Phase im Vatikan lernen wir den traditionellen Dienst und das militärische Exerzieren kennen, wie man mit der Hellebarde umgeht, im Gleichschritt marschiert und solche Dinge. Außerdem lernen wir eineinhalb Stunden Italienisch am Tag. Wir lernen unsere Dienstposten und den Vatikan kennen, die Büros und Wohnungen, die Regierung und wichtige Personen. Dazu gehört auch, auswendig zu lernen, wer welchen Rang hat, wer wie aussieht und wie heißt. In der zweiten Phase sind wir im Tessin in der Schweiz an der Polizeischule. Dort bilden uns Polizeiinstruktoren sicherheitsspezifisch aus. Dazu gehören Schießen, körperliche Zwangsmaßnahmen, Erste Hilfe, Feuerbekämpfung.
Wie sieht ein klassischer Tag für Sie aus?
Ein normaler Diensttag besteht aus dem ordentlichen Dienst auf der einen Seite und den Audienzen und den Ehrendiensten wie Präsidents- und Botschaftsempfängen auf der anderen Seite. Wir arbeiten pro Tag zwischen sechs und elf Stunden auf verschiedenen Dienstposten im Apostolischen Palast und an den vier offiziellen Eingängen des Vatikanstaats.
Welche Rolle spielt der Glaube für Sie?
Glaube ist sehr individuell. Mir persönlich hilft er nicht nur, an mir zu arbeiten und immer ein besserer Mensch zu werden. Er gibt mir Erfüllung und Motivation für den Dienst. Dass ich so nah an der Kirche und am Vatikan sein darf, erfüllt mich mit Demut und Stolz. So sehe ich auch hautnah, was die Kirche für die Gläubigen macht, für die Christen in der ganzen Welt.
Treu und redlich zu dienen: Das ist das Motto der Schweizergarde. Sie schwören auch, dass Sie Ihr Leben hingeben für einen Menschen, konkret für den Papst.
Ja. Wir haben natürlich intensiv mit dem Gardekaplan darüber gesprochen, was der Schwur konkret bedeutet. Im Alltag, mit all den Diensten, ist es leicht, das zu vergessen. Ich bin hier, um den Papst zu schützen. Es ist wichtig, sich das immer in Erinnerung zu rufen. Es wäre für mich eine Ehre, mein Leben zu geben für ein anderes und natürlich besonders für das des Papstes. Es erfüllt mich weder mit Angst noch mit Schrecken. Der Schwur unterstreicht auch den Charakter eines Schweizers in der Schweizergarde, die seit 500 Jahren ihre Treue schwören.
Wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert?
Die Familie ist vor allem stolz und glücklich. Es macht sie stolz, dass ich den Mut habe, meinen Weg zu gehen. Sie sehen natürlich als gläubige Familie den Sinn im Dienst als Schweizergardist. Aber das Wichtigste ist: Sie schätzen meinen Mut, dass ich den Weg gehe. Natürlich ist es schon speziell, dass wir uns von dem einen auf den anderen Moment kaum noch sehen. Seit Januar war die Familie zweimal hier. Ich war vor Kurzem auch einmal in der Schweiz. Wir bleiben natürlich auch in Kontakt über Videogespräche. Aber wir sehen uns nicht öfter als alle drei Monate.
Was haben Sie vor Ihrer Zeit bei der Schweizergarde gemacht?
Ich habe im Juni 2022 die Matura gemacht und bin dann im Juli in die viermonatige Rekrutenschule beim Schweizer Militär. Dort war ich bis Anfang November bei den Aufklärern. Dann habe ich noch kurz zwei Monate gearbeitet.
Welche Voraussetzungen gibt es, um in die Schweizergarde zu kommen?
Man muss Schweizer Bürger und praktizierender Katholik sein. Das ist das Wichtigste. Ansonsten muss man ledig, zwischen 19 und 30 Jahre alt und mehr als 1,74 Meter groß sein. Man braucht einen einwandfreien Leumund, eine abgeschlossene Maturität oder Berufslehre und die abgeschlossene Grundausbildung an der Rekrutenschule der Schweizer Armee. Das sind die Grundvoraussetzungen.
Wie lange bleiben Sie noch in Rom?
Ich darf so lange bleiben, wie ich möchte. Wenn ich einen guten Dienst leiste, kann ich bis zu 25 Jahre bleiben. Ich denke auch, dass ich länger bleiben werde als nur die 26 Monate.
Also sind Sie glücklich mit Ihrer Entscheidung?
Ja, absolut, es ist sehr schön. Ich freue mich auf die Zeit, die noch vor mir liegt. Es ist eine riesengroße Ehre, diese Arbeit machen zu dürfen.
Haben Sie schon bekannte Persönlichkeiten getroffen?
Ich war schon mal bei dem Empfang des ukrainischen Präsidenten Selenskyj dabei. Das ist schon sehr interessant, so nah an einer Person zu sein, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt. Aber ich hatte ja keinen direkten Kontakt mit ihm. Man steht da und schaut geradeaus. Aber es ist schon spannend, dass sich so eine Persönlichkeit auf dem gleichen Fleckchen Erde befindet wie man selbst.
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