Ehe Martin Kurmann bei der Stadtpolizei Winterthur eintrat, war er Major bei der Schweizergarde in Rom.
Nach der Kündigung bei der Luzerner Kapo zog Martin Kurmann mit seiner Familie in den Vatikan, um vier Jahre später nach Winterthur umzusiedeln.
Einblick Eineinhalb Jahre sind es her, seit Martin Kurmann bei der Stadtpolizei Winterthur eine Stelle im Kommandobereich antrat. «In unserer Wohnung direkt über dem Petersplatz in Rom zeigte ich meiner Frau eines Tages die von der Stadtpolizei ausgeschriebene Stelle. Genau das, was ich gesucht hatte», lässt Kurmann in einem Winterthurer Café am Graben in seine nicht alltägliche berufliche Vergangenheit blicken. Der 41-Jährige sieht mit seiner stattlichen Postur, seinem Bart, leicht geröteten Backen und lebendigen Augen denn auch aus, wie man sich einen bodenständigen, den Papst beschützenden Schweizer Gardisten vorstellt. Kurmann lacht: «Als ich von 2003 bis 2005 im Vatikan meine erste Dienstzeit als Hellebardier leistete, trug ich tatsächlich fast jeden Tag die Uniform und entsprach diesem äusserlichen Klischee eines Schweizer Gardisten. In meiner vergangenen vierjährigen Amtszeit in Rom, trug ich aber vielleicht dreimal pro Jahr die Gala-Uniform, ansonsten war ich zumeist mit Anzug und Krawatte unterwegs.»
Nach der Kündigung bei der Luzerner Kapo zog Martin Kurmann mit seiner Familie in den Vatikan, um vier Jahre später nach Winterthur umzusiedeln.
Ein überraschender Anruf
Aber wie kam der gebürtige Luzerner, der nach dem zweijährigen Einsatz in der Schweizergarde zurückgekehrt war, einen guten Job bei der Kantonspolizei bekleidete und Vater dreier Töchter geworden war, 2019 dazu, für das katholische Kirchenoberhaupt alles stehen und liegen zu lassen? «Nein, es waren nicht religiöse Überlegungen, die mich zurück nach Rom zogen. Sich für eine Führungsstelle bei der Schweizergarde bewerben, ist eh aussichtslos. Die suchen sich ihre Leute selbst heraus», erklärt Kurmann. Und genau dies trat ein. Eines Tages erhielt er überraschend einen Anruf vom Kommandanten der Päpstlichen Schweizergarde, Christoph Graf. «Er sagte mir, er sei in Kürze in der Schweiz und würde mit mir zwecks einer Besprechung gerne essen gehen», so Kurmann. Danach ging es schnell. Kurmann musste sich nicht lange überlegen, ein doch ziemlich unerwartetes Stellenangebot des Kommandanten anzunehmen, wie er sich erinnert: «Natürlich in Absprache mit meiner Frau. Sie war da aber gerade hochschwanger, hatte ihren Job bereits gekündigt und war sofort offen für einen entsprechenden Umzug. Das war für mich massgeblich.»
Prominente Stammgäste
Am 1. Januar 2019 ernannte ihn Papst Franziskus schliesslich zum neuen Major der Päpstlichen Schweizergarde. Hinter Kommandant Graf und seinem Vizekommandanten war Kurmann in der Hierarchie die Nummer drei der Schweizergarde und als Chef Sicherheit entsprechend etwa für die drei Einsatzzüge, die Einsatzzentrale und die Planung zuständig. Im Extremfall hätte er – getreu dem abgelegten Eid – sein Leben für den Papst geopfert. Innerhalb von Italien begleitete Kurmann Franziskus auch hin und wieder einmal, etwa nach Neapel. Und natürlich war Kurmann auch für Privat- und Gruppenaudienzen zuständig. Der amerikanische Präsident Joe Biden oder der russische Präsident Wladimir Putin zählten ebenso dazu wie Bischöfe, Wissenschaftler, Schauspieler oder auch Privatpersonen. «Für eine Auslandreise war ich zudem einmal vorgesehen, diese musste aber kurzfristig abgesagt werden», erzählt Kurmann, der immer wieder einmal auch persönlichen Kontakt zum Oberhaupt der Römisch-katholischen Kirche hatte. «Während meiner ersten Dienstzeit war ich einer von ungefähr 85 Hellebardieren, wie man die einfachen Schweizergardisten ohne Grad nennt. Damals durfte ich Papst Johannes Paul II. und danach Papst Benedikt XVI. öfter treffen. Aber der unkomplizierte und enge Kontakt, wie ihn Franziskus heute mit seinen Mitarbeitenden pflegt, ist damit nicht vergleichbar. Regelmässig ergaben sich freundliche Begrüssungen oder zwischendurch auch einmal kurze Gespräche. Auch meine Familie durfte ich ihm vorstellen. Nach ihr erkundigte er sich öfter und fragte, wie es meiner Frau und meinen Töchtern ginge.»
Vom Olympiastadion in Rom auf die Winterthurer Schützenwiese
Natürlich hatte Martin Kurmann auch Anrecht auf Ferien und Freizeit. «Da war aber viel Flexibilität gefragt», lacht der im Zürcher Weinland wohnende Winterthurer Stadtpolizist. Das Programm des Papstes konnte sich spontan ändern, nicht nur einmal musste die Familie Kurmann ihre Ferien in der Schweiz deshalb kurzfristig absagen oder verschieben. Wenn es die Freizeit zuliess, besuchte Kurmann ab und zu Spiele der AS Roma und verfolgte den Meisterschaftsverlauf «seines» FC Luzern aus der Ferne. Jetzt macht Kurmann in seinem Erzählen aus der Vergangenheit einen spontanen Einschub: «Die Matches in Rom waren gut und recht, vom Ambiente her gefällt mir die Schützenwiese heute aber viel besser. Nirgends ist man so nah am Spielfeld, und nirgends vermischt sich so der Duft der Bratwurst in der Hand mit jenem des Schweisses der Kicker.»
Sehnsucht nach der Schweiz
Dass er sich heute in Winterthur und an seinem Wohnort etwas ausserhalb so wohlfühlt, hat seinen Ursprung darin, dass für ihn, aber auch für seine Frau rasch klar war, dass sie nicht mehr als vier Jahre in Rom bleiben würden. «Je länger desto mehr sehnten wir uns nach der Schweiz. Kam dazu, dass die Kinder um einiges vom Vatikan entfernt in die Schweizer Schule in Rom gingen, wir sie mitten durch Rom dahin begleiten und dort auch wieder abholen mussten. Spontan die «Schulgspändli» nach der Schule zu treffen, war zum Beispiel nicht möglich. Uns wurde aber auch bewusst, welche medizinischen Privilegien wir etwa bei einem Spitalbesuch in der Schweiz geniessen. Aber auch die Coronazeit veranschaulichte uns die Unterschiede der beiden Staaten.» Ende 2022 war es dann so weit. Nach einem Gespräch in Winterthur hatte sich Martin Kurmann rasch entschieden, die Uniform der Schweizergarde gegen jene der Stadtpolizei Winterthur umzutauschen. «Unseren Entscheid, die vier Jahre in Rom bei der Schweizergarde verbracht zu haben, bereuen wir keinen Tag. Es war eine gute und wichtige Erfahrung. Umso mehr geniessen wir aber jetzt unsere Zeit hier, mit einem tollen Umfeld im beruflichen und privaten Bereich. Weder dem Vierwaldstättersee noch dem Blick auf den Petersplatz trauern wir hier nach.»
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